Lowlights der Baubranche

Wohnen ist in deutschen Städten mittlerweile zum Luxus geworden, die arbeitende Bevölkerung kann es sich in Hamburg nicht mehr leisten, in der Innenstadt zu leben und wird immer weiter aus den zentralen Stadtteilen verdrängt. Statt bundesweit Mietendeckel einzuführen oder in Zeiten sehr hoher Preise, den Wohnungsbau massiv zu unterstützen, bricht der Ex-Hamburger Olaf Scholz sein Wahlkampf-Versprechen, jährlich 400,000 neue Wohnungen zu bauen. Um der schleichenden Verdrängung zu begegnen, ist der Bau neuer Gebäude, die Sanierung und teilweise die Verdichtung bestehender Strukturen von großer Bedeutung. Insbesondere das Bauhauptgewerbe spielt hierfür eine zentrale Rolle. Gleichzeitig sind die Arbeitsbedingungen in der Baubranche schlecht und die Bezahlung mies, was den Personalmangel verfestigt. Hier beleuchten wir einige spezifische Probleme der Baubranche, die so wichtig für einen bezahlbaren Wohnraum für alle ist.

1. Reallöhne der Tarifbeschäftigten

Laut einer Studie von Prof. Dr. Thorsten Schulten, dem Leiter des WSI-Tarifarchivs (1) befanden sich die Reallöhne der Tarifbeschäftigten Anfang 2024 in Deutschland insgesamt auf dem Stand von 2016 (2).

Diagramm der Nominal- u. Reallohnentwicklung in Deutschland 2000-2023 (3: S.12, mit Genehmigung des Autors)

Die sehr hohen Preissteigerungen von 2021 und 2022 sind durch die Tarifabschlüsse keineswegs ausgeglichen worden. Betroffen ist hiervon insbesondere auch das Baugewerbe: Während die tariflichen Monatsgehälter dort von 2016 bis 2023 um insgesamt 21,3 % stiegen, stiegen gleichzeitig die Verbraucherpreise im gleichen Zeitraum um 22,8 %. Dies verdeutlicht den Reallohnverlust, dem Lohnabhängige im Baugewerbe unterworfen waren. (2)Während die IG BAU den Tarifabschluss 2024 in einer Broschüre für die Lohngruppe 4 in Westdeutschland bspw. mit +631€ angibt (4), entspricht dies einem Reallohngewinn von 4% in den Jahren 2023-2026 und einem Reallohnverlust von knapp -2% in 2026 gegenüber 2021 (5).Die langen Laufzeiten der Tarifeinigungen verhindern in Zukunft rasche Reaktionen auf starke Preisbewegungen. Für den Zeitraum eines geschlossenen Tarifvertrages – also für die nächsten 3 Jahre – gilt wegen der sog. „relativen Friedenspflicht“ Streikverbot.

2. Zu geringe Tarifbindung

Für die Gesamtheit der Arbeitskräfte in Deutschland sieht die Entwicklung noch einmal schlechter aus. Denn die Tarifbindung in Deutschland ist seit 1996 stark gesunken. Arbeiteten damals 21% der Arbeitskräfte in Betrieben ohne Tarifbindung, so waren es 2022 schon 49% (10). Der Anteil ist von gut einem Fünftel auf fast die Hälfte gestiegen. Im Baugewerbe sieht die Entwicklung ganz ähnlich aus. Hier arbeiteten 2022 immerhin 42% aller Beschäftigten in Betrieben ohne Tarifbindung und 40% in Betrieben, die weder Tarifbindung noch einen Betriebsrat haben (11). Diese Tarifflucht der Kapitalseite hat sowohl längere Arbeitszeiten als auch niedrigere Löhne im Vergleich zu den geltenden Tarifbedingungen zur Folge (12). Im Allgemeinen ist ein allgemeiner Trend der Auflösung und Aufweichung von Regeln zwischen Lohnabhängigen und Unternehmen zu beobachten. Dabei gibt es sehr gute Gründe für Lohnabhängige, sich gewerkschaftlich zu organisieren: Unorganisierte Arbeiter*innen bekamen 2023 statistisch 11% weniger Lohn und mussten 54 Minuten länger arbeiten (13).

3. Beschäftigungsformen

Dieser Trend wird auf dem Bau durch eine Vielzahl von Beschäftigungsformen verstärkt: Zeitarbeit, Leiharbeit, Werkverträge, Scheinselbständigkeit, illegale Arbeit. Verschiedene Beschäftigungsformen sind unterschiedlich stark vertreten und Arbeitskräfte leiden unterschiedlich stark darunter. Prof. Friedrich Schneider schätzte den Anteil des Bauvolumens das durch illegale Beschäftigung 2018 erbracht wurde auf bis zu 40% (14). Das berücksichtigt unversteuerte Arbeit und Arbeit, bei der keine Sozialleistungen gezahlt werden. Ältere Schätzungen vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung schätzten den Anteil 2011 auf 30-40%. (15)Insbesondere das zunehmende Gewirr an Subunternehmerketten führt zu einer noch größeren Uneinheitlichkeit. Dieses komplizierte System soll verhindern, dass sich Bauleute zusammenschließen, um gemeinsam ihre Situation zu verbessern und zwar insbesondere im Großbetrieb auf dem Bau – den Großbaustellen. Denn große Schlagkraft für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen besteht da, wo gemeinsam gekämpft wird. Gemeinsame Kämpfe entstehen durch gemeinsame Ziele. Ein gemeinsamer Kampf wird aber umso schwieriger, je unterschiedlicher die Arbeits- und Lebensumstände und damit auch die konkreten Forderungen sind.

4. Zuschläge und Bau-Mindestlohn

Als eine Folge dieser Entwicklung sind nicht nur die Überstundenzuschläge faktisch weggefallen (stattdessen Arbeitszeitkonten im Rahmen der Flexibilisierung), sondern auch die Schmutzzuschläge, die bezahlte halbstündige Frühstückspause und ähnliches mehr. Weiterhin ist der Bau-Mindestlohn für Ungelernte wie für Fachkräfte Ende 2021 wegen der Weigerung der Unternehmensseite Ende 2021 ausgelaufen (15, S. 7), der einen Anspruch auf ein Mindesteinkommen festlegte und weit oberhalb des allgemeinen Mindestlohns lag. Im Falle der Fachkräfte war er im Streik von 2002 durchgesetzt worden (2021 bei 15,70€). Dies bedeutet nichts anderes, als dass derzeit alle Arbeitskräfte legal für den allgemeinen Mindestlohn von 12,41€/h ausgebeutet werden können. Allerdings müssen insbesondere ausländische Arbeitskräfte teilweise zu deutlich geringeren Stundenlöhnen arbeiten. Dies wird häufig über undokumentierte Lohnauszahlungen oder über formelle Teilzeitbeschäftigung bei Subunternehmen umgesetzt: Ein Arbeiter, der teilweise 55h/Woche arbeitet wird nur für 120h/Monat eingestellt (15).

5. Internationales Lohngefälle und Arbeitsmigration

In einigen Ländern in Nordwesteuropa und Nordamerika, in denen die kapitalistische Entwicklung zuerst einsetzte und die dadurch in der Lage waren, den Rest der Welt unter sich aufzuteilen (durch Kolonien und Einflusszonen), konnten in einem bestimmten Ausmaß Zugeständnisse an eine kämpfende Arbeiter*innenbewegung gemacht werden (in Form von höheren Löhnen, kürzeren Arbeitszeiten etc.). Dadurch ist die Welt heute von extremen Unterschieden an Ausbeutungsbedingungen gekennzeichnet. Der Großteil migrantisch Beschäftigter versucht, in Gebiete mit einem höheren Lohnniveau zu gelangen, um den schlechten Arbeitsbedingungen oder hoher Arbeitslosigkeit der Herkunftsländer zu entkommen. In Rumänien liegt beispielsweise der Lohn bei 400-600€ im Monat bei ständiger Beschäftigung. In den reicheren Ländern der Welt gibt es dagegen innerhalb der Lohnabhängigen einen weit vebreiteten Nationalismus, um die Konkurrenz möglichst klein zu halten und die privilegierte Lage im Weltvergleich abzusichern. Das Eigeninteresse wird hierbei über das Interesse aller Arbeiter*innen gestellt.

Für mehr Arbeitskämpfe auf dem Bau

Um all diesen Misständen zu begegnen gibt es nur einen Ausweg: Die Arbeitenden im Baugewerbe organisieren sich über Staats-, Berufs- und Sprachgrenzen hinweg und kämpfen gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen ohne faule Kompromisse. Wenn du dich daran beteiligen willst dann komm zur Arbeitsgruppe Bau der Freien Arbeiter*innen Union Hamburg. Kontaktiere uns unter fauhh-bau@fau.org oder komm einfach unangemeldet am Bau-Freitag (immer am 3. Freitag im Monat ab 19:30 Uhr) bei uns in der Schwarzen Katze (Fettstrasse 23) vorbei.

Quellen

(1) WSI: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Online: https://www.wsi.de/de/index.htm

(2) Hans Böckler Stiftung (2024). Reale Tariflöhne aktuell nur noch auf dem Niveau von 2016, trotz Kaufkraftsicherung 2023 – Experte erwartet „offensive Tarifrunde“. 13.02.24 Online: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-reale-tarifloehne-auf-dem-niveau-von-2016-trotz-kaufkraftsicherung-2023-57220.htm

(3) Thorsten Schulten und das WSI-Tarifarchiv: Tarifpolitischer Jahresbericht 2023: Offensive Tarifpolitik angesichts anhaltend hoher Inflationsraten, WSI Tarifarchiv, Februar 2024

(4) IG BAU (2024). Broschüre „Respekt für unsere Arbeit. WOW! Das hat sich gelohnt.“ zur Zusammenfassung der Lohnerhöhungen im Baugewerbe 2024. Nur für IG BAU-Mitglieder.

(5) Eigene Berechnung basierend auf (4) für Nominallöhne heute und in Zukunft, (6,7) für historische Löhne, (8) für die historische Entwicklung der Verbraucherpreise und (9) für die angenommene Entwicklung der Verbraucherpreise bis 2026. Exceltabelle wird auf Anfrage geteilt.

(6) bauprofessor.de (2024). Kalkulationshilfe für Stundensätze im Bauhauptgewerbe West. Online: https://www.bauprofessor.de/kalkulationshilfe/stundensaetze-bauhauptgewerbe-west/

(7) bauprofessor.de (2024). Kalkulationshilfe für Stundensätze im Bauhauptgewerbe Ost. Online: https://www.bauprofessor.de/kalkulationshilfe/stundensaetze-bauhauptgewerbe-ost/

(8) Statistisches Bundesamt destatis (2024). Entwicklung der Nominallöhne, Reallöhne und Verbraucherpreise 2008-2024. 03.09.2024. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Realloehne-Nettoverdienste/Tabellen/reallohnentwicklung-jahre.html

(9) Deutsche Bundesbank (2024). Deutschland-Prognose: Deutsche Wirtschaft fasst langsam wieder Tritt – Perspektiven bis 2026. Monatsberichtsaufsatz. Monatsbericht – Juni 2024. Online: https://publikationen.bundesbank.de/publikationen-de/berichte-studien/monatsberichte/monatsbericht-juni-2024-932980?article=deutschland-prognose-deutsche-wirtschaft-fasst-langsam-wieder-tritt-perspektiven-bis-2026-932984

(10) Hohendammer, C. & Kohaut, S. (2023): Tarifbindung und Mitbestimmung: Keine Trendumkehr in Westdeutschland, Stabilisierung in Ostdeutschland, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: IAB-Forum 20.07.23, Nürnberg, Tabelle 4

(11) ebenda, Tabelle 2

(12) https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-beschaftigte-ohne-tarifvertrag-27526.htm, (Hans Böckler Stiftung): „Beschäftigte ohne Tarifvertrag arbeiten länger und verdienen weniger – niedrigere Löhne in Ostdeutschland auch durch geringere Tarifbindung“

(13) Hans Böckler Stiftung (2023). „Ohne Tarifvertrag verdienen Beschäftigte im Schnitt 11 Prozent weniger und müssen wöchentlich fast eine Stunde mehr arbeiten“, 19.04.2023. Online: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-ohne-tarifvertrag-verdienen-beschaftigte-weniger-48755.htm

(14) Handwerksblatt (2018). Bau: Jede dritte Stunde wird schwarz gearbeitet. Dezember 2018. Online: https://www.handwerksblatt.de/themen-specials/offensiver-kampf-gegen-schwarzarbeit/bau-jede-dritte-stunde-wird-schwarz-gearbeitet

(15) Möller, Joachim et al. (2011): Evaluation bestehender gesetzlicher Mindestlohnregelungen. Branche: Bauhauptgewerbe, Berlin: Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

(16) Baumgarten, M., Beck, L. & Firus, A. (2024). Helfer oder doch Fachkräfte? Migrantische Beschäftigte im deutschen Hochbau. FES diskurs. Mai 2024. Online: https://library.fes.de/pdf-files/a-p-b/21208.pdf

Solidarität mit den 6 von „La Suiza“

Wir haben als FAU Hamburg am Nachmittag des 28.09.2024 im Arrivatipark eine Solidaritätskundgebung zum Fall der „6 von La Suiza“ abgehalten. Neben einem Redebeitrag eines unserer Genossen, wurde eine Botschaft einer Genossin von unserer spanischen Schwestergewerkschaft CNT abgespielt. Zu den Liedern der galicischen Reggae-Band Fatwaves Syndicate haben wir Flyer an Passant:innen verteilt um auf die skandalöse Repression durch Justiz, Wirtschaft und rechte Politik aufmerksam zu machen. Gewerkschaftsarbeit ist kein Verbrechen! Gewerkschaftsarbeit ist unverzichtbar!

Du hast Stress auf Arbeit? Melde dich bei unserer gewerkschaftlichen Beratung.

Du möchtest dich aktiv bei uns einbringen und für Abeiter:innenrechte und eine befreite Gesellschaft kämpfen? Tritt bei oder komm beim nächsten Plenum vorbei.

Solidarität mit den 6 von La Suiza! Gewerkschaftsarbeit ist kein Verbrechen!

Liebe Kolleg*innen,

in Spanien wurde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, der die Gewerkschaftsfreiheit massiv bedroht. Sechs Gewerkschafterinnen der CNT wurden zu je 3,5 Jahren Haft verurteilt, weil sie für bessere Arbeitsbedingungen in der Konditorei „La Suiza“ in Xixón (Gijón) kämpften. Die Kolleginnen protestierten gegen nicht bezahlte Überstunden, vorenthaltenen Urlaub und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Dabei nutzten sie gewöhnliche gewerkschaftliche Mittel: Kundgebungen, Flugblätter und Transparente. Trotz Polizeipräsenz gab es keine Zwischenfälle.

Der Unternehmer reagierte jedoch mit einer massiven Klageschrift von über 11.000 Seiten. Ein als arbeiter- und gewerkschaftsfeindlich bekannter Richter verurteilte die Kolleginnen zu Haftstrafen ohne Bewährung. Zusätzlich müssen sie eine Geldstrafe von insgesamt 125.428€ an den Unternehmer zahlen. Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat dieses Urteil nun bestätigt. Damit werden die Menschen kriminalisiert, die sich gegen die eigentlichen Verbrechen wehren. Dies ist ein direkter Angriff auf grundlegende Gewerkschaftsrechte und könnte fatale Folgen für alle Arbeiter*innen in Spanien haben.

Wir können nicht tatenlos zusehen! Zeigt eure Solidarität und kommt zur Kundgebung. Lasst uns gemeinsam ein starkes Zeichen setzen: Für die Aufhebung des Urteils gegen die 6 von La Suiza, gegen die Kriminalisierung von Gewerkschaftsarbeit und für internationale Solidarität der Arbeiter*innenklasse.

Freiheit für die 6 von La Suiza! Gewerkschaftsarbeit ist kein Verbrechen! Ein Angriff auf eine von uns ist ein Angriff auf uns alle!

Verbreitet diesen Aufruf, informiert eure Kolleg*innen und Freund*innen. Nur gemeinsam können wir uns gegen solche Angriffe auf unsere Rechte wehren.

Kommt zur Kundgebung!

Wann: 28. September 2024, 15:00 Uhr

Wo: Arrivatipark/Neuer Pferdemarkt

FAU Hamburg – Allgemeines Syndikat

Die Warnstreikwelle im Baugewerbe 2024

Nach gescheiterten Tarifverhandlungen und gescheiterter Schlichtung zwischen der Baugewerkschaft (IG BAU, Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt) und dem Baukapital (Tarifgemeinschaft des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie und des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes) hatte die IG BAU am 03.05.2024 zu Warnstreiks aufgerufen. Die Auseinandersetzung betraf das Bauhauptgewerbe und somit offiziell rund 930.000 Beschäftigte (1).

Darum ging es bei der Tarifverhandlung: Die Ausgangsforderung der IG BAU war eine Sockellohnerhöhung von 500 € bei einer Tariflaufzeit von 12 Monaten. Im Schlichtungsverfahren war die Gewerkschaft jedoch bereit, das Ergebnis von 250 € Sockellohnerhöhung für 11 Monate und anschließend einen Anstieg von 4 % im Westen und 5 % im Osten bei einer Laufzeit von 2 Jahren zu akzeptieren. Die Kapitalseite lehnte jedoch am 03.05.24 den Schlichterspruch ab und forderte die Firmen dazu auf, freiwillige Lohnerhöhungen um 5 % im Westen und 6 % im Osten zu bewilligen. Hierauf reagierte die IG BAU mit einem Aufruf zu Warnstreiks. Eine freiwillige Lohnerhöhung wäre eine außertarifliche und lückenhafte Umsetzung der Forderungen und war ein Versuch, die Beschäftigten zu spalten. Denn etwa 42% aller Arbeitnehmenden werden nicht nach Tarif bezahlt (2). 

Die Warnstreiks waren als Strategie der Nadelstiche organisiert, es sollte also bei punktuellen Ausständen bleiben (3). Innerhalb von drei Wochen streikten in vielen Dutzenden Städten jeweils einige Hunderte ArbeiterInnen für die Ursprungsforderung von 500 € mehr pro Monat. Es gab dabei größere Kundgebungen mit 1.000 Teilnehmenden in Bremen und 2.000 Demonstrierenden in Düsseldorf. In der ersten Woche waren rund 12.500 Arbeiter:innen an den Streiks beteiligt (4) und insgesamt brachten mehrere Zehntausend ihre Verärgerung über die Ablehnung des Schlichtungsspruchs zum Ausdruck. Zum Teil wurde der Kampf als aktiver Streik geführt. Das sah dann zum Beispiel folgendermaßen aus: „In München trafen sich wieder etliche Kolleg*innen frühmorgens im Streiklokal. Der anschließende Streikspaziergang führte erst zu einem Abschnitt der Stammstrecke in der Nähe der Donnersberger Brücke. Dort waren einige Bauleute zu überzeugen, dass Warnstreiks jetzt das richtige Mittel sind, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Danach ging es per S-Bahn in Richtung Hauptbahnhof. Auch dort wird gerade massiv gebaut, vor allen Dingen sehr beengt und deshalb logistisch etwas heikel. Die warnstreikenden Baubeschäftigten entschlossen sich kurzerhand, die Einfahrt etwas zu beeinträchtigen und sorgten damit für einiges an Verzögerung, bis hin zum Stillstand der Baustelle, auf der sich Kolleg*innen den Streikenden anschlossen. Die Stammstrecke zwei, eh schon in den Schlagzeilen, ist eine gute Möglichkeit, Warnstreikziele zu erreichen. Getreu dem Motto ‚Kleine Meute – große Wirkung‘ ließ man den Streiktag beim gemeinsamen Grillen ausklingen“ (5).

Am 28.05.24 kam es erneut zu einem Verhandlungsergebnis, dem die Kapitalseite verbandsintern später auch wirklich zustimmte (6). Statt der Sockellohnerhöhung um 250 € pro Monat beim Schlichtungsergebnis kommt es rückwirkend zum 01.05.24 zu einem Anstieg um 260-380 €, am 01.04.25 zu einer Steigerung von 4,2 % im Westen und 5% im Osten (statt zuvor 4 und 5%) und am 01.04.26 zu einer vollständigen Angleichung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen im Osten sowie zu einer bundeseinheitlichen Anhebung um 3,9 %. Die Spanne selbst ergibt sich aus unterschiedlichen Steigerungen je nach Gehaltsgruppe und Tarifgebiet. Das Gehalt für die Gehaltsgruppe A-I (z.B. Angestellter ohne Berufsausbildung) steigt im Westen um 260€. In der Gehaltsgruppe A-X  (z.B. Angestellte mit besonderer Weisungsbefugnis) steigt es im Osten um 380€. (7)

Trotz der dreijährigen Laufzeit – bei unabsehbaren gesellschaftlichen Entwicklungen und Preisveränderungen – spricht die IG BAU von einem Streikerfolg (vergl. Anm. 5). Für sie handelt es sich um eine ganz außerordentliche Situation, denn der erste bundesweite reguläre Streik seit Gründung der BRD, also seit 1949, erfolgte im Jahr 2002 – nach 53 Jahren. Und seit 2002 wiederum erfolgte die erste bundesweite Mobilisierung, jetzt auf dem Niveau von Warnstreiks.

Arbeitsbedingungen in der Baubranche

In dieser knochenharten Branche haben sich die Arbeitsbedingungen arg verschlechtert. Im Baugewerbe gibt es keine Überstundenzuschläge (stattdessen Arbeitszeitkonten im Rahmen der Flexibilisierung), keine Schmutzzuschläge und Ähnliches mehr. Der Bau-Mindestlohn für Ungelernte und Fachkräfte ist gefallen.

Eine weitere Besonderheit der Branche ist der hohe Anteil von migrantischen und nicht-deutschsprachigen Arbeitenden, die durch Sprachbarrieren nur mit Schwierigkeiten an dieser Tarifauseinandersetzung teilhaben konnten. Viel eher waren nicht-deutschsprachige Arbeitende gar nicht darüber informiert und haben – wegen ihrer oftmals noch prekäreren Arbeitssituation – während des Streiks gearbeitet. Das wurde teilweise von gewerkschaftlich organisierten Arbeitenden als willentlicher Streikbruch gesehen. 

Eine Spaltung der Arbeitenden muss in jedem Fall vermieden werden. Alle Arbeitenden sollten in die Vorbereitungen und Durchführungen von Arbeitskämpfen einbezogen werden und auch von deren Ergebnissen profitieren. 

Die Bau FAU Hamburg (Arbeitsgruppe Bau der FAU Hamburg) solidarisiert sich mit allen Streikenden im Baugewerbe.

Die Bau FAU Hamburg solidarisiert sich auch und vor allem mit denen, die nicht streiken können!

  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/5734/umfrage/beschäftigte-im-bauhauptgewerbe-in-Deutschland-seit-2003
  1. Hohendammer, C. & Kohaut, S. (2023): Tarifbindung und Mitbestimmung: Keine Trendumkehr in Westdeutschland, Stabilisierung in Ostdeutschland, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: IAB-Forum 20.07.23, Nürnberg, Tabelle 2
  1. https://igbau.de/Warnstreiks-am-Bau-Verkehrsinfrastruktur-betroffen.html
  1. https://igbau.de/Streiks-werden-auf-Verkehrsinfrastruktur-Baustellen-ausgedehnt.hrml
  1. https://igbau.de/Warnstreiks-am-Bau-Weiterhin-groszer-Zulauf.html
  1. https://igbau.de/Update-17.-juni-jetzt-mit-video-tarifabschluss-am-bau-unser-aller-erfolg.html
  1. IG BAU (2024). Broschüre „Respekt für unsere Arbeit. WOW! Das hat sich gelohnt.“ zur Zusammenfassung der Lohnerhöhungen im Baugewerbe 2024. Nur für IG BAU-Mitglieder.

Solidarisch mit dem Streik bei H&M in Barcelona

[in English]

UPDATE: Nach 97 Tagen wurde der Streik am 31.07.2024 für beendet erklärt. Es wurde eine Lohnerhöhung von knapp 10% sowie ein zusätzlicher Urlaubstag ab 2025 erkämpft.

Alle kennen H&M, aber nur Wenige reden über die Arbeitsbedingungen in dem Konzern. Diesmal geht es nicht um die Näher*innen in den Fabriken Asiens oder Afrikas, sondern um das H&M Kundenzentrum in Barcelona.
Bereits seit dem 25. April 2024, also mehr als 90 Tagen, befindet sich dort etwa die Hälfte der 200 Lohnabhängigen in einem unbefristeten Streik. Ein Großteil der Belegschaft ist in der anarchosyndikalistischen Confederación General del Trabajo (CGT) organisiert, somit läuft auch der Streik über die CGT. Hauptauslöser des Arbeitskampfes ist die aggressive Digitalisierungspolitik des Konzerns, worunter die Lohnabhängigen zunehmend leiden, während H&M Rekordgewinne einstreicht. Allein in den letzten 12 Monaten wurde die Belegschaft von 270 auf 200 Personen reduziert. Der computergestützte Algorithmus erhöht den Leistungsdruck und macht die Betroffenen zunehmend krank. Aber lest selbst, was die CGT dazu schreibt in ihrem Flyer.

Um den Druck im Zusammenhang mit dem Streik zu erhöhen, machten sich fünf betroffene Genoss*innen der CGT auf die Reise. Zunächst für eine Kundgebung vor dem H&M Geschäft in der Spitalerstraße am 23.07.2024. Warum ausgerechnet dort? In der Spitalerstraße befindet sich die landesweite Geschäftszentrale. Außerdem stellt Deutschland für H&M den größen Absatzmarkt dar.
Spontan schlossen sich mehrere Mitglieder der FAU Hamburg, FAU Lüneburg und FAU Lübeck der Kundgebung vor dem Geschäft in der Spitalerstraße an und trotzten gemeinsam mit dem Besuch aus Barcelona dem hamburger Schietwetter während die kaufwütige Öffentlichkeit mit Flyern und Banner über den Arbeitskampf informiert wurde.

Zwei Tage später geht es für die Fünf mit einer Kundgebung in Stockholm vor dem Hauptsitz des Konzerns weiter.

Inspiriert von ihrer kämpferischen Haltung wünschen wir den Genoss*innen viel Erfolg bei der andauernden Auseinandersetzung und sind gerne wieder bereit auch in Zukunft solidarisch zur Seite zu stehen.

Solidarity is our weapon!

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Der erste Mai aus historischer Perspektive

Rudoph Rocker zum 1. Mai:
„Ein Symbol ist uns der erste Mai, ein Symbol der sozialen Befreiung im Zeichen der direkten Aktion, die im Generalstreik ihren vollendetsten Ausdruck findet. Alle, die im Frone schmachten und denen die tägliche Sorge um die Existenz ihren Stempel aufdrückt, die ganze ungeheure Armee derer, welche die Schätze der Unterwelt zu Tage fördern, am Hochofen stehen oder den Pflug durch die Felder führen, alle die Millionen, die in ungezählten Fabriken und Werkstätten dem Kapital seinen menschenfressenden Tribut entrichten müssen, die Hand- und Kopfarbeiter aller Kontinente, sie alle sind Teile jenes großen und unbesiegbaren Bundes, aus dessen Tiefen uns eine neue Zukunft kommen wird, sobald die Erkenntnis ihres trostlosen Daseins den einzelnen Gliedern machtvoll zum Bewußtsein kommen wird. Auf ihren Schultern ruht eine ganze Welt; sie tragen das Schicksal jeder Gesellschaft in ihren Händen, und ohne ihre schöpferische Tätigkeit ist jedes menschliche Leben zum Tode verdammt. “Der Syndikalist“ 4. Jg. (1922), Nr. 16

Der Startschuss – Haymarket- Vorgeschichte
Die zentrale Idee der Arbeiter*innen-Bewegung des 19.Jahrhunderts war vor allem die einer kollektiven Arbeitsniederlegung, dem sozialen Generalstreik. Die englischen Gewerkschaften beschlossen für ihr Ziel des Achtstundentags einen landesweiten Streik am 1. Mai 1833 abzuhalten, der jedoch nicht umfassend realisiert werden konnte. Der entstehende Industriekapitalismus war schon für die Anfänge der Arbeiterbewegung ein starker Gegner, der Nationalismus verhinderte andererseits oft die grenzüberschreitende Solidarität
Die Gewaltfrage
Seit dem Eisenbahnerstreik in den USA von 1877 erhielten die Gewerkschaften großen Zulauf, aber sie wurden von den bezahlten Schlägern und bewaffneten Streikbrechern hart bekämpft. Die Polizei und die Presse spielten ihre entsprechende Rolle, so forderte die „New York Tribune“ zum Beispiel, dass man die Demonstrationen der streikenden Arbeiter/innen mit Handgranaten zerschlagen solle. Als bewaffnete Verteidigungsorganisationen wurden in einigen amerikanischen Städten die gewerkschaftlichen „Lehr- und Wehrvereine“ gegründet. Sie machten Schießübungen und Aufmärsche zu Gedenken der Pariser Kommune von 1871.

Der 8-Stunden-Tag
1884 wurde in den USA eine landesweite Kampagne beschlossen. So forderten die „Föderierten Gewerkschaften und Arbeitervereine der USA und Kanadas“, dass ab dem 1.Mai 1886 der legale Arbeitstag nicht mehr als 8 Stunden zu betragen hätte. Die Verringerung des (meist 10-stündigen) Arbeitstages um zwei Stunden erschien den anarchistischen Syndikalisten als reformistisch, aber trotzdem unterstützen sie die Kampagne. Die seit 1860 bestehende Forderung sollte am 1. Mai 1886 mit landesweiten Streiks endlich durchgesetzt werden. In Chicago organisierte die „Central Labor Union“ am Sonntag vor dem 1. Mai eine Großdemonstration mit rund 25.000 Teilnehmer/innen.

Haymarket
Am 1. Mai 1886 wurde der Generalstreikaufruf in den USA von 340.000 bis 350.000 Arbeiter*innen befolgt, davon von 40.000 aus Chicago. Die Unternehmer setzten Streikbrecher, Polizei und privat angeheuerte Söldnertruppen gegen die Streikenden ein.

Am 3. Mai fand in der Nähe der Landmaschinenfabrik McCormick eine Massenveranstaltung der Holzarbeitergewerkschaft statt. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und Streikbrechenden. Bei dem anschließenden Einsatz der Polizei wurden 4 Arbeiter*innen erschossen, zahlreiche wurden verletzt. Einen Tag später versammelten sich aus Protest darüber über 2.000 Menschen  auf dem Chicagoer Haymarket. Als die friedliche Versammlung sich aufzulösen begann, wurden die verbliebenen 300 Demonstrierenden ohne erkennbaren Grund von 200 Polizisten angegriffen . Augenblicke später detonierte eine Bombe in den Reihen der Polizeikräfte, die von einem Unbekannten geworfen wurde. Bis heute ist nicht geklärt, ob es sich um einen Provokateur handelte. Die Polizei eröffnete sofort das Feuer auf die fliehenden Männer, Frauen und Kinder. In der Folge kam ein Polizist ums Leben  und in einer folgenden Schießerei 6 Polizisten und 7 oder 8 Arbeiter*innen wurden getötet, hinzu kamen 30 – 40 Verletzte.

Diese Ereignisse lieferten Staatsmacht und Unternehmertum nun einen Vorwand um gegen die Arbeiter*innenbewegung vorzugehen. Bereits in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages begann die Polizei eine großangelegte Repressionswelle : es gab unzählige Hausdurchsuchungen, hunderte von Verhaftungen und Verhöre. Von Seiten der Staatsanwaltschaft gab es grünes Licht für Rechtsbrüche aller Art : „Machen sie erst die Razzien und schauen danach im Gesetz nach.“. Die Polizei zögerte nicht, selbst angelegte Waffenlager aufzudecken und diese als Beweise für eine anarchistische Verschwörung zu benutzen. Begleitet und gerechtfertigt wurden diese Machenschaften von hetzerischen Zeitungsberichten, die große Teile der Chicagoer Presse verbreiteten. Von den unzähligen Verhafteten und auch Angeklagten wurden letztendlich acht bekannte und aktive Anarchisten des Mordes angeklagt. Obwohl bewiesen war, dass keiner der Angeklagten die Tat hätte begehen können, wurde gegen sie ein Schauprozess eröffnet. Da es keine Beweise für die Mordanklage gab, hieß es danach, sie seien an einer Verschwörung beteiligt gewesen und hätten Artikel verfasst, in denen zum Umsturz der bestehenden Verhältnisse aufgerufen worden sei. Damit seien sie verantwortlich für die Tat, da sie die Täter inspiriert hätten. Am 20. August 1886 wurden die Todesurteile gegen die Angeklagten verkündet. Die Schlussreden der zu Unrecht Verurteilten wurden als „Anklagen der Angeklagten“ weltberühmt. Sie waren ein Manifest gegen die Ausbeutung und für eine freie,
menschliche Gesellschaft ohne soziale Ungerechtigkeit.

Der Prozess
Durch voreingenommene Geschworene, eingeschüchterte und bestochene Zeugen, fehlende Beweise und die begleitende Hetze der Presse, sollte der Prozess zum Schauprozess werden, woraus die Staatsanwaltschaft keinen Hehl machte: „Das Gesetz klagt die Anarchie an! Diese Männer wurden anstelle von Tausenden vor Gericht gestellt, nicht etwa, weil sie schuldiger sind, sondern weil sie deren Anführer waren. Gentlemen! Statuiert ein Exempel an ihnen, hängt sie! Nur so retten wir unsere Institutionen, unsere Gesellschaftsordnung!“ Das Urteil stand schnell fest: Sieben Angeklagte wurden zum Tode, weitere zu langer Haftstrafe verurteilt. Später wurden sie für unschuldig und zu Opfern eines Justizmordes erklärt.

Streiken heute
Seit Beginn der Arbeiter*innenbewegung hat es immer von Seiten der herrschenden Klasse Bemühungen unterschiedlichster Art gegeben diese zu zerschlagen Rechte nicht zu gewähren oder zurückzunehmen. Streikbewegungen wurden dabei moralisch diskreditiert oder mit staatlicher Repression und Gewalt überzogen. Auch wenn die Anwendung staatlicher Gewalt und Repression heute hierzulande sicherlich geringer ausfällt als noch im 19. Jahrhundert, so müssen wir uns doch immer wieder daran erinnern, dass die herrschende Klasse des Kapitalismus auch weiter nicht gewillt ist Arbeiter*innen Wohltaten zukommen zu lassen, sofern dies nicht in ihren eigenen Interessen liegt. So kommt es, dass zu einem Zeitpunkt, da die Streiks sich in jüngster Zeit wieder vermehrt haben Unternehmertum, bürgerliche Presse und Medien und auch Vertreter*innen der Parteipolitik sich zu Wort melden um Streiks und ihre Forderungen zu diskreditieren und in ein schlechtes Licht zu setzen. Beschworen wird dabei wieder einmal ein klassenübergreifendes, nationalistisches „Wir“ Gefühl, wenn es dem Wirtschaftsminister darum geht Forderungen klein zu reden und im Sinne der Profitsicherung und Gewinnmaximierung eher davon zu sprechen mehr statt weniger zu arbeiten. Streikende mit berechtigten Forderungen sind hier die Störenfriede, wenn es um die Sicherung der Profite der Volkswirtschaft im Sinne nationalistischer Standortlogik geht. In Betracht gezogen werden nun Eingriffe in ein ohnehin schon repressives Streikrecht. Ob und in welcher Form die Maßnahmen eines Streikes als angemessen und legitim aufgefasst werden unterliegt immer wieder Richtersprüchen, welche formal auf einen Ausgleich der Interessen hinarbeiten, letztlich jedoch Teil eines kapitalistischen Staates sind. So kommt es auch jetzt schon immer wieder zu Eingriffen gegenüber dem Grundrecht auf Streiks und dem Schutz der Arbeitskampffreiheit nach Art.9 III GG. Dies geschieht auf Grundlage der sogenannten Verhältnismäßigkeit. Das diese Abwägung nicht selten zu Gunsten der Arbeitgebenden ausfällt, dürfte in diesem Zusammenhang kaum überraschen. So ist der Bereich der Daseinsvorsorge schon jetzt besonders eingeschränkt und begrenzt. Hierbei wird besonders auf die Betroffenheit Dritter hingewiesen, in diesem Falle abhängige Patient*innen und Klient*innen in Krankenhäusern, Bildungseinrichtungen wie Kindergärten, Altenheimen, Sozialeinrichtungen oder eben auch eine Vielzahl von Bahnreisenden und Güterverkehr. Die Grenzen des Streikrechtes werden also nicht nur einzelfallbezogen und in einigen Bereichen sowieso schon enger ausgelegt. Das sind konkret Bereiche, die tendenziell nicht zu den bestbezahlten Berufszweigen zählen. Arbeitnehmende sind hier häufig durch Schichtdienst und Personalengpässe stark belastet. Da mag man zu Corona-Zeiten noch sehr als systemrelevant beklatscht worden sein, verbessert jedoch keine Arbeitsbedingungen. Eine mögliche weitere Einschränkung des Streikrechts in diesen Bereichen ist ein Angriff auf uns alle.

Wie uns die Geschichte des 01. Mai lehrt, ist Arbeitskampf eben genau das: Ein Kampf um die Verbesserung unserer Lebensumstände. Wie schon so oft stehen und Staat und Kapital feindlich gegenüber. Wo man uns Rechte nicht zugesteht, da werden wir sie uns selbst organisiert, solidarisch, bunt und kreativ nehmen!

Alle zusammen gegen den Faschismus!

Der Vormarsch rechtsextremer Kräfte ist eine reale Bedrohung, und es ist unsere Pflicht, diesem entschlossen entgegenzutreten. Die Freie Arbeiter*innen-Union (FAU) Hamburg unterstützt daher den Aufruf des Bündnisses “Klare Kante gegen Rechts”. Wir sind überzeugt, dass wir vielfältige Bündnispartner benötigen, denn die Gefahr des Faschismus bedroht uns alle.

Unsere Strategie unterscheidet sich von bloßen Appellen an die Politik. Wir glauben, dass der Kampf gegen Spaltung, Diskriminierung und Diktatur nur von unten heraus erfolgreich sein kann. Daher setzen wir unsere Kräfte ein, um die Gesellschaft an sich durch Solidarität und Selbstorganisation zu verändern. Nur so können wir die Zustände bekämpfen, die Parteien wie der AfD zum Aufstieg verhelfen.

Lasst uns gemeinsam eine demokratische und gerechte Gesellschaft erschaffen – eine Gesellschaft, in der Freiheit, Gleichheit und Solidarität im Mittelpunkt stehen!

Zwang zu bargeldlosem Bezahlen

In vielen Bereichen des alltäglichen Lebens setzt sich der Trend fort, dass die Möglichkeit mit Bargeld zu bezahlen abgeschafft wird. Wie z.B. in Bereichen wie des ÖPNV, der Uni-Mensen oder der Sozialleistungen für geflüchtete Menschen. All diese Bereiche haben eins gemeinsam, sie treffen ausgerechnet die Menschen, die sowieso über zu wenig Geld verfügen am härtesten. Was soll man machen, wenn das letzte zusammengesammelte Pfandgeld am Ende des Monats nichts mehr nützt, weil das Bargeld nicht dafür verwendet werden kann in der Mensa zu bezahlen oder ein Ticket für den ÖPNV zu bezahlen?

Das Studierendenwerk Hamburg nimmt seit Anfang März keine Bargeldzahlungen mehr an. Was als Fortschritt verkauft wird, ist nur die unsoziale Abwälzung der Sparmaßnahmen der Regierung auf die Studierenden. (https://www.asta-uhh.de/1-aktuelles/01-asta-news/2024-03-05-statement-mensa.html)

Dazu kommt, dass mit den schwindenden Möglichkeiten bar zu bezahlen, die Möglichkeit der Überwachung – sei es durch den Staat oder private Unternehmen – zunehmen.

Dies betrifft aktuell ganz besonders geflüchtete Menschen, ihnen wird durch die Einführung der Bezahlkarte die Möglichkeit auf einen selbstbestimmten Umgang mit Geld verwehrt.  Die ohnehin schon geringen Leistungen, welche geflüchtete Menschen erhalten werden nicht mehr in bar an den bezirklichen Zahlstellen ausgezahlt oder auf ein Konto, sondern in Form einer Visa Karte. An dieser sogenannten „SocialCard“ ist genau gar nichts sozial, ist doch das erklärte Ziel davon, den Asylsuchenden vorzuschreiben wofür sie das Geld ausgeben sollen. (https://hamburgasyl.de/einfuehrung-der-bezahlkarte/)

Gegen solche Angriffe hilft nur direkte und praktische Solidarität, wie sie zum Beispiel im Café Exil stattfindet: 1x pro Woche soll es ein Treffen geben, bei dem Untersützer*innen ihren Einkauf (mind. 50 EUR) machen. Menschen bezahlen mit Bezahlkarte und die Unterstützer*innen geben dann den eingekauften Betrag in Bargeld. (https://signal.group/#CjQKIB7lUsqyttpyWxG9YxLfpC_vAm5WXJVqrqB1Zj3Hls1VEhBknzwQn5CWP9pvno0ZvjOH)

Die Frage bleibt wohin diese ausgrenzende Entwicklung noch führen soll? Eine Erweiterung auf weitere Gruppen von Menschen, wie z.B. Bürgergeldbeziehende oder andere Bereiche die den Lebensmitteleinzelhandel sind denkbar.

Wir als FAU Hamburg rufen alle betroffenen und solidarischen Menschen dazu auf sich miteinander zu vernetzen und zu organisieren. Die Losung heißt: Selbstorganisation statt Krise!

Gegen Ausgrenzung und für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität!