Herzlich Willkommen! Wir sind die Freie Arbeiter*innen Union Hamburg. Wir sind eine Basisgewerkschaft. Das bedeutet, dass wir alle Arbeiter*innen vertreten. Außerdem verlassen wir uns nicht auf die sogenannte „Sozialpartnerschaft“. Warum wir nicht daran glauben? Genau deswegen sind wir hier.
Vor 10 Jahren kamen 8 Arbeiter in das Lokal unseres Berliner Syndikats. Sie hatten ihren Lohn nicht erhalten. Die Männer mussten in einem Container bei Minusgraden schlafen. Sie waren Wanderarbeiter der Mall-of-Shame. Elvis Iancu sagte darüber: „Warum werden wir mit Gleichgültigkeit und Verachtung behandelt? Braucht Deutschland nicht Arbeitskräfte, die wenig oder gar nicht bezahlt werden? Ist das nicht eine maskierte Sklaverei?“ [1]
Es ging um etwa 3000€ pro Person, überlebenswichtig für die Arbeiter und ihre Familien. Die FAU klagte erfolgreich gegen ihre Unternehmen – diese meldeten Insolvenz an. Die FAU klagte erfolgreich gegen den Hauptunternehmer – dieser meldete Insolvenz an. Die FAU klagte gegen den Investor – den Berliner Millionär Harald Huth – bis zum Arbeitsgericht in Thüringen. Es gab ihnen Unrecht. [2] What the fuck?
Deswegen glauben wir nicht an die Sozialpartnerschaft. Deswegen kämpfen wir für uns. Deswegen verlassen wir uns nicht auf rein juristische Kämpfe. Deswegen müssen wir uns selbst organisieren und keine Stellvertretergewerkschaft für uns kämpfen lassen. Weil wir das häufig nicht alleine können, kämpfen wir zusammen für unsere Rechte.
Am 30. Oktober 2023 fast 10 Jahre nach den tapferen Kämpfen in Berlin – stürtzten fünf albanische Bauarbeiter 8 Stockwerke in die Tiefe. Der Eisenflechter Astrit Xheka, Vater von zwei Kindern und drei weitere Albaner waren sofort tot. Alfred Visha – Vater von drei Kindern – der sein Haus in Albanien noch decken wollte, starb wenige Tage später im Krankenhaus. [3] Drei Tage später war der Schacht geräumt, gestrichen und es ging weiter als wäre nichts gewesen. Einem Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft Bau, der den Tatort untersuchen musste, merkt man 2024 bei einem Interview noch seine Betroffenheit über den Vorfall an. Er war da, hat die vier Leichensäcke gesehen und die darauf abgelegten Handys gehört, die fortwährend klingelten. [4]
Die fünf albanischen Bauarbeiter waren aus ähnlichen Motiven hier wie Elvis Iancu, Bogdan & Gioni Droma und die anderen Berliner Arbeiter. Allerdings kamen sie aus Albanien mit gefälschten italienischen Pässen. Sie kamen, weil der Lohn hier höher ist als in Albanien. Sie kamen, weil sie dachten, die Arbeit sei sicher. In Deutschland, dem Land der Regeln, dem größten Land der EU, dem Land dem Arbeiter*innen egal sind, wenn sie nicht Matthias, Dirk oder Katharina, sondern Bogdan, Mohammed oder Pavel heißen. Dem Land, in dem Investor*innen geschützt werden, während Arbeiter*innen sich verschleißen, während alleinerziehende Mütter jeden Euro umdrehen müssen, in dem Menschen aus Städten verdrängt werden, während Geflüchtete bangen müssen, abgeschoben zu werden.
Während der Lohnraub in Berlin eine Schande war, ist der Tod von Alfred und Astrit eine Tragödie. Während der Prozess in Berlin und Erfurt beschämend für das sogenannte „deutsche Rechtssystem“ ist, haben bei Westfield alle Systeme versagt. Hier in Hamburg haben vor anderthalb Jahren alle versagt. Karen Pein – die Bausenatorin hat versagt. Der Senat hatte bereits versagt, als sie Unibail-Rodamco beauftragten, die Bürgerschaft versagte immer wieder, die Baustelle und die mangelnde Arbeitssicherheit auf die politische Agenda zu setzen. Sämtliche Behörden und Ämter für Arbeitsschutz sowie die oberste Bauaufsicht haben versagt. Die BG Bau hat versagt, die Baustelle rechtzeitig – vor diesem Unfall – dicht zu machen.
Und auch: Die Sozialpartnerschaft hat versagt, die sich auch die IG BAU wünscht, die Alfred, Astrit und all die anderen Toten und Verwundeten nicht geschützt hat.
Nur Westfield hat nicht versagt, Dirk Hühnerbein und Jean-Marie Tritant, von Unibail-Rodamco-Westfield. Sie feiern heute – und dafür hassen wir sie! Wir wollen sie nicht hassen. Wir hassen sie auch nicht als Menschen. Wir hassen sie für die Entscheidungen, die sie in den letzten Jahren getroffen haben. Für Profit über Menschen, für die Entscheidung für fahrlässige Generalunternehmer, für den Lohndruck, die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen, für die Inkaufnahme von Verletzungen und – wie im schlimmsten Fall – dem Tod.
Mit ihnen feiern heute der Bürgermeister Peter Tschentscher, der Senat und weitere sogenannte Hamburger „Würdenträger*innen“. What the fucking fuck?
Dagegen halten heute wir, die FAU Hamburg, die junge BAU mit dem Motto „Eure Mall, unser Grab.“ und weitere Anwohner*innen und Netzwerke, die dem Aufruf gefolgt sind, wie demorave und die Linke.
Lohnraub und mangelnde Sicherheit sind nur zwei von zahlreichen Problemen auf dem Bau. Wir können uns dagegen nur selbst wehren. Auch auf dem Bau müssen wir stärker aufeinander achten. Die Solidarität untereinander ist wichtiger als die Erfüllung des Auftrags. Es wird schwer, sehr schwer. Wir müssen Sprachbarrieren überwinden. Wir müssen mafiöse Strukturen bekämpfen. Wir müssen die arrogante Ignoranz des Senats anprangern. Aber vor allem müssen wir unsere Spaltung überwinden.
Wir müssen erkennen, dass der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, das Patriarchat, und rechte Ideologie Schattierungen unseres Kampfes für ein gutes Leben sind.
Wir müssen gemeinsam Profitgier bekämpfen!
Keine Party auf Kosten der toten Arbeiter!
Boykottieren wir Westfields Mall of Death!
Lasst uns solidarischen Widerstand aufbauen!
Es wird schwer, aber wir haben ein Leben zu verlieren und eine Welt zu gewinnen!
Quellen
[1] Iancu, E. (2015). Rede von Elvis Iancu am April 2015 vor der Mall of Shame in Berlin. Übersetzung aus dem Rumänischen. In: Lackus, H. & Schell, O. (Hg., 2020) Mall of Shame. Kampf um Würde und Lohn. Rückblicke, Hintergründe und Ausblicke. Berlin: Die Buchmacherei.
[2] FAU Berlin (2020). Chronologie der Ereignisse. Juli 2014 – Oktober 2019. In: Lackus, H. & Schell, O. (Hg., 2020) Mall of Shame. Kampf um Würde und Lohn. Rückblicke, Hintergründe und Ausblicke. Berlin: Die Buchmacherei.