Unter den Beschäftigten des städtischen Unternehmens Fördern & Wohnen AöR (u.a. Betreiberin der Erstaufnahmestellen und Folgeunterkünfte für Asylsuchende in Hamburg) rumort es. Sie wenden sich gegen die zunehmende Verschlechterung der Lebensbedingungen der Bewohner_innen und damit auch der eigenen Arbeitsbedingungen. Wir unterstützen diese Entwicklung und dokumentieren darum hier den folgenden Text zur Situation bei Fördern & Wohnen AöR.
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„Container machen Kopf kaputt“…
oder: wie unerträgliche Bedingungen in
der Unterbringung zu unerträglichen
Arbeitsbedingungen führen!
Wir – UKM, SM, UKSM und TDs verschiedener Bezirke und Geschäftsbereiche – beobachten eine zunehmende Verzweiflung von Bewohner_innen einerseits, und als eine Folge daraus u.a. steigende psychosoziale Belastungen der Mitarbeiter_innen andererseits. Wir stellen fest, dass das Gefüge von Klient_innen und Hauptamtlichen in den Unterkünften von einer starken Wechselwirkung geprägt ist. Diese Wechselwirkung kann auf die einfache Formel gebracht werden: prekäre Bedingungen der Unterbringung = unerträgliche Arbeitsbedingungen.
Solange behördliche Vorgaben, die negative Konsequenzen auf die psychische Gesundheit der Bewohner_innen haben akzeptiert und wider besseren Wissens umgesetzt werden, wird diese Wechselwirkung nicht aufzulösen sein.
In den aktuellen Debatten um Radikalisierung, psychische Erkrankungen oder die Umsetzung des Schutzkonzeptes besonders schützenswerter Gruppen bei Geflüchteten und Obdachlosen werden zu Recht präventive Maßnahmen und qualifizierte Unterstützung Betroffener gefordert. Diese Forderungen richten sich auch an f&w bzw. uns Beschäftigte vor Ort. Das ohnehin schon extrem breite Anforderungsprofil insbesondere der UKSM-Kräfte wird hier allerdings ein weiteres Mal in unverantwortbarem Maße überstrapaziert.
Wenn das Unternehmensmotto („alle mitnehmen – keinen vergessen“ und „Arbeit gesund gestalten“) nicht zur Phrase verkommen und auch in der täglichen Arbeit Anwendung finden soll, muss der Personalschlüssel drastisch erhöht und dem kontinuierlich steigenden Anforderungsprofil durch eine andere Personalpolitik (Personalausstattung sowie Personalentwicklung) begegnet werden. Bei dem aktuellen Personalschlüssel (1:80 bzw.1:65 bzw. 1:160) können die Mitarbeiter_innen diesen Anforderungen nicht gerecht werden.
→ Wir brauchen eine spürbare Erhöhung des Personalschlüssels!
Diese Debatten machen außerdem wieder einmal deutlich, in welch widersprüchlichem Spannungsfeld sich unsere Arbeit bewegt: die geforderte Qualifizierung der Stellenbesetzung („Sozialpädagog_innen oder vergleichbare Qualifikation“), kontinuierlich steigende Anforderungen aus Gesellschaft, Politik und Management (Integrationsleistung, sozialer Frieden etc.), sowie unsere Arbeitsrealität, wie sie de facto ist, stehen im krassen Widerspruch zu dem geltenden Personalschlüssel und dem Konzept der Verweisberatung und des Sozialmanagements. Wer versucht, die Anforderungen zu erfüllen, wird daran scheitern und ist aufgrund dieses Dilemmas enormem psychosozialem Stress ausgesetzt. Dieser Spagat ist nicht nur zermürbend (führt zu Unklarheiten, Unsicherheiten, Stress etc.), er ist auch unprofessionell (führt zu Rollenkonflikten etc.).
Auch Fortbildungen, Gesundheitszirkel, Supervision und weitere Angebote, die wir sehr begrüßen und schätzen, können diese strukturellen Missstände nicht auflösen.
Eine aktualisierte Stellenbeschreibung für die Bereiche UKSM und UKM werden seit Jahren gefordert und stehen weiterhin aus.
→ Wir fordern eine eindeutige Stellenbeschreibung!
Aller Management-Rhetorik zum Trotz ist das, was wir täglich tun, soziale Arbeit. Der Begriff des Sozialmanagements führt in die Irre. Wenn wir in Konflikten vermitteln, den
Sozialpsychiatrischen Dienst einschalten oder die sozialräumliche Anbindung im neuen Wohnumfeld anstoßen und begleiten, machen wir soziale Arbeit!
Somit sind wir auch an Standards sozialer Arbeit gebunden. Unsere Arbeitsbedingungen stehen aber oft im Widerspruch zu diesen.
→ Wir fordern die Einhaltung von Standards sozialer Arbeit!
[vgl. http://www.fluechtlingssozialarbeit.de/index.php]
In den aktuellen Diskussionen scheint auch durch: die höchste Prämisse heißt Skandale verhindern – aber das bitte billig!
Wir sind nicht mehr bereit, dies auf Kosten der Gesundheit von uns Mitarbeiter_innen zu leisten und können das Leid und die Perspektivlosigkeit der Bewohner_innen nicht länger kommentarlos hinnehmen!
Von einem „Personalüberhang“ zu reden ist eine rein betriebswirtschaftliche Analyse. Mit Blick auf unseren Arbeitsalltag erscheint dieser Begriff zynisch, ja fast beleidigend. Nach 2 Jahren im absoluten Notstands- und Krisenmanagement gäbe es jetzt die Möglichkeit einer relativen Normalisierung. Die momentane Situation bietet die Chance, endlich die Qualität unserer Arbeit zu verbessern und somit auch die Lebensbedingungen in den Unterkünften erträglicher zu machen.
→ Wir brauchen Unterbringungs- und Arbeitsverhältnisse, die nicht krank
machen!
→ Wir fordern eine selbstbewusste Orientierung am Leitbild von fördern und
wohnen – auch und gerade bei der Umsetzung behördlicher Aufträge!
Noch ein paar Worte zur Situation in den Erstaufnahmen:
Besonders deutlich wird die Verquickung von Unterbringungsbedingungen und Arbeitsbelastung bei den sich immer weiter verschärfenden Verlegungskriterien in den EAs und dem enormen Belegungsdruck in den WUKs.
Mit der politisch vorangetriebenen Schließung von EAs kommt es zu einer Verdichtung in den verbleibenden Einrichtungen. Wieder sind es wir, die Beschäftigten vor Ort, von denen verlangt wird, die höhere Belegungsdichte durchzusetzen, obwohl sie eindeutig im Widerspruch zu dem f&w-Leitbild steht und für uns Mitarbeiter_innen und die Bewohner_innen eine erhebliche Belastung darstellt. Belegungsvorgaben von 3-4 Personen auf 11m2, wie sie in den Erstaufnahmen aktuell umgesetzt werden, sind nicht hinnehmbar!
Viele, der von der Verdichtung betroffenen Personen, sind sogenannte „Überresidente“. Sie befinden sich bereits viel zu lange in der Erstaufnahme. Es ist nicht haltbar, sie von EA zu EA zu schieben und die Situation, die sich stellenweise entspannt hatte, erneut zu verschärfen.
Die in diesem Jahr vom ZKF eingeführten Transferkriterien in WUKs tun Ihr Übriges. Die hohe Belegungsdichte verhindert gesellschaftliche Teilhabe! Die Absprache eines Rechts auf Privatsphäre wirkt sich negativ auf die persönliche Lebensplanung sowie die psychische Gesundheit der Bewohner_innen aus, ganz davon abgesehen, dass die extrem beengte Situation zu erheblichen Konflikten führt und den sozialen Frieden gefährdet.
Es ist höchst frustrierend, wenn unsere Arbeit darin besteht, Konflikte und Probleme zu beheben, die durch behördliche Vorgaben verursacht werden. Diese Probleme sind „hausgemacht“ – wir federn diese ab.
→ Wir fordern die Anerkennung des Menschenrechts auf Privatsphäre!
→ Wir brauchen Einzelzimmer für alle Alleinstehenden!
Um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern, müssen die Lebensbedingungen der Bewohner_innen verbessert werden.
Dies ist im Interesse aller!
Schließlich werden in den EAs und WUKs die Weichen für das gesellschaftliche
Zusammenleben von morgen gestellt.
ver.di Betriebsgruppe bei fördern & wohnen