Prinzipien und Grundlagen

Die Prinzipien und Grundlagen unserer bundesweiten Gewerkschaftsföderation:

Prinzipien und Grundlagen der Arbeit der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU)

1. Grundsätze und Ziele

1.1. Die Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) ist eine Gewerkschaftsföderation. Die Mitglieder der FAU setzen sich gemeinsam für die Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen ein. Dies geschieht insbesondere durch Arbeitskämpfe und Betriebsarbeit sowie durch Kultur- und Bildungsarbeit, Solidarität und gegenseitige Hilfe im Alltag. Die FAU beteiligt sich an Bündnissen und sozialen Bewegungen, die ähnliche Ziele verfolgen.

1.2. Die FAU besteht aus unabhängigen lokalen Gewerkschaften (Syndikaten) und deren örtlichen sowie regionalen Zusammenschlüssen. Alle wesentlichen Entscheidungen werden in Vollversammlungen und auf Delegiertentreffen getroffen. FunktionsträgerInnen und Delegierte sind weisungsgebunden und lediglich ausführende Organe. Die FAU ist weltweit mit anderen kämpferischen Gewerkschaften vernetzt.

1.3. Wir streben die Überwindung des Kapitalismus an. Der Kapitalismus beruht auf der Ausbeutung der Arbeitenden durch diejenigen, die über die Produktionsmittel verfügen. Sie lässt sich niemals vollständig durch Reformen des kapitalistischen Regelwerks überwinden, sondern nur durch die Einführung einer grundsätzlich anderen, auf Solidarität und Selbstverwaltung basierenden Wirtschaftsordnung.

1.4 Wir beziehen uns auf die Ideen des Anarchosyndikalismus. Der anarchosyndikalistische Flügel der Gewerkschaftsbewegung kämpft seit seiner Entstehung Anfang des 20. Jahrhunderts für die Emanzipation der ArbeiterInnen, gegen Krieg und Nationalismus, für die Gleichberechtigung der Geschlechter und gegen religiöse Dogmen. Heute gilt es, Theorie und Praxis des Anarchosyndikalismus in Deutschland und der Welt wieder bekannt zu machen, sie weiterzuentwickeln und zu stärken.

2. Gewerkschaftsverständnis

2.1. Gewerkschaften sind Organisationen der ArbeiterInnen. ArbeiterInnen sind alle Lohnabhängigen. Solche, die ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bestreiten müssen, egal ob ArbeiterInnen oder Angestellte genannt, sowie Selbständige ohne Angestellte. Aber auch indirekt Lohnabhängige, die von der Lohnarbeit anderer abhängig sind, gehören hierzu: RentnerInnen, Arbeitslose, Kinder, unbezahlte Arbeit Verrichtende sowie SchülerInnen und Studierende. Als lohnabhängige Menschen müssen wir uns auf einem Arbeitsmarkt verkaufen, der uns ausbeuterische Arbeitsbedingungen aufzwingt. Als anarchosyndikalistische Gewerkschaft sind wir nicht dem Interesse einer Nation oder eines Staates verpflichtet, sondern dem gemeinsamen Interesse der ArbeiterInnen weltweit, sich von ökonomischer Ausbeutung und sozialer Unterdrückung zu befreien.

2.2. Der Zweck unserer Arbeit ist die Verbesserung unserer Lebensbedingungen. Unsere Aktivitäten sind auf unmittelbare, konkrete Ergebnisse gerichtet. Daraus resultieren fortwährende Erkenntnis und Lernprozesse über eigene Stärken sowie die Möglichkeiten ihrer Anwendung unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen.

2.3. Die Ziele unserer Arbeitskämpfe wollen wir auf möglichst direktem Weg erreichen. Die idealtypischen Mittel des Arbeitskampfes sind alle, die unmittelbaren Druck auf unsere Gegner ausüben. Die konkrete Form der angewandten Aktion wird von den kämpfenden Beschäftigten selbst gewählt und für jede Auseinandersetzung immer wieder neu entschieden.

2.4. Als Arbeitende verfügen wir über die uns eigene Macht, den reibungslosen Ablauf der Lohnarbeit zu unterbrechen oder zumindest damit zu drohen, um konkrete Forderungen durchzusetzen. Diese Fähigkeiten werden in Arbeitskämpfen durch kollektives, organisiertes Handeln greifbar und wirksam. Konkrete Erfahrungen kollektiver Macht sind eine wichtige Erfahrung, ohne die eine kämpferische Gewerkschaftsbewegung nicht bestehen kann.

2.5. Die Erkenntnisse aus diesen Erfahrungen weiterzugeben ist ein wesentliches Ziel
anarchosyndikalistischer Bildungs- und Kulturarbeit. Diese soll sich zugleich gegen jegliche Form von gesellschaftlicher Diskriminierung wenden. Homophobie und Sexismus, Rassismus und Antisemitismus, Nationalismus und soziale Stigmatisierung gehören genauso wie die kapitalistische Ausbeutung zu einem Geflecht vielfältiger Herrschaftsbeziehungen, die Teil unseres Lebens sind. Sie kommen auch innerhalb der Gewerkschaftsbewegung und anderen, sich emanzipatorisch verstehenden Bewegungen vor. Uns von derartigen Herrschaftsstrukturen zu befreien ist eine Aufgabe, die bereits bei uns selbst und in unserem direkten Umfeld beginnt.

2.6. Solidarität ist eine Waffe! Unsere Solidaritätsarbeit ist von gegenseitiger Hilfe geprägt. Unsere Solidarität gilt den Kämpfen der uns weltweit verbundenen Gewerkschaften. Unterstützung erhalten auch die Arbeitskämpfe vor Ort, in denen ein konstruktives Miteinander mit kämpferischen KollegInnen möglich ist, über Organisationsgrenzen hinweg. Wir fördern uns nahe stehende Jugendgruppen und Initiativen. Wir suchen den Austausch mit anderen emanzipatorischen und
basisdemokratisch orientierten Gruppen und Menschen.

3. Kritik der bestehenden Verhältnisse

3.1. Wir sehen im Kapitalismus als weltweit dominierender Wirtschaftsordnung ein zentrales Hindernis für gesellschaftliche Emanzipation und individuelle Selbstbestimmung. Der Kapitalismus ist ein System der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Er erzeugt unausweichlich einen Klassengegensatz zwischen jenen, die keine andere Wahl haben, als ihre Arbeitskraft zu verkaufen, und jenen, die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und damit die von uns erarbeiteten Profite besitzen. Zugleich unterliegt der Kapitalismus durch die Konkurrenz um Märkte und Profite einem Wachstumszwang, der alle Lebensbereiche dem kapitalistischen Gesetz unterwirft und natürliche Ressourcen über das ökologisch erträgliche Maß hinaus ausbeutet. Kapitalismus ist kein Naturgesetz, sondern lediglich ein von Menschen geschaffenes Verhältnis, das durch kollektives Handeln der Arbeitenden aufgehoben werden kann.

3.2. Der bürgerliche Staat garantiert und schützt das private Eigentum als Grundlage einer kapitalistischen Ordnung. Sozialstaatliche Strukturen geben vor, einen Ausgleich zwischen gegensätzlichen ökonomischen Interessen herzustellen. Als Nationalstaat konstruiert er ein gemeinsames Interesse seiner Bürgerinnen und Bürger gegen ein konkurrierendes Außen anderer Nationalstaaten und einen Sachzwang, dem sich die Bürgerinnen und Bürger unterzuordnen haben.

3.3. Die FAU steht keiner politischen Partei nahe und betätigt sich nicht parlamentarisch. Im Parlamentarismus ist es lediglich möglich, VertreterInnen zu wählen, nicht aber deren Handeln zu bestimmen. Die sogenannten VolksvertreterInnen sind eingebunden in ein Geflecht von ökonomisch mächtigen Interessengruppen sowie die hierarchischen Strukturen ihrer Parteien. Sachzwängen der kapitalistischen Wirtschaft und ihrem eigenen, mit zunehmender Macht wachsenden Herrschaftswillen werden sie kaum zuwider handeln.

3.4. Gewerkschaften werden in der Bundesrepublik Deutschland durch die Gesetzgebung als moderierende Ordnungsmacht in den kapitalistischen Arbeitsbeziehungen konzipiert. Gewerkschaften sollen in Deutschland im Interesse der kapitalistischen Strukturen den Interessen des Standortes dienen und den sozialen Frieden sichern. Nicht selten reproduzieren andere Gewerkschaften selbst diese Logik und betrachten, lokal wie global, ArbeiterInnen an einem Ort als KonkurrentInnen der ArbeiterInnen an anderen Standorten. Diese Rollenzuschreibung samt der umfassenden juristischen Beschränkungen gewerkschaftlicher Handlungsfreiheit nehmen wir nicht hin.

3.5. Politische Reformen lehnen wir nicht ab, wenn sie reale Verbesserungen der Lebenssituation beinhalten oder unsere Rechte stärken und nicht im Widerspruch zu unseren Zielen stehen. Wir lehnen jedoch Reformismus als eine Haltung ab, die nicht versucht, die bestehenden Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse grundlegend zu ändern, sondern sie stattdessen stabilisiert.

[ssba]