Krank ist das System – doch pflegen werden wir es nicht!

Wie jedes Jahr, so auch anscheinend weitgehend dem öffentlichen Bewusstsein entrückt, der 12. Mai der Tag der Pflege. Dabei wird auch an Florence Nightingale (12.05.1820 – 13.08.1910) erinnert, die als eine der Begründer/*_Innen der modernen westlichen Krankenpflege einflussreiche Reformerin des Sanitätswesens und der Gesundheitsfürsorge Großbritannien und Verfasserin der Gründungsschriften der Pflegetheorie und gilt. Ihrer Ansicht nach war und ist die Pflegewissenschaft als eigenständige Disziplin von ebenso großer Bedeutung wie die Medizin. Hiervon ist heute wenig zu spüren.

Seit Jahren arbeiten Menschen in der Alten- und Krankenpflege und in artverwandten Berufen, wie etwa Heilerzieher/*_Innen unter teils schwierigen bis desaströsen Bedingungen. Schichtdienst und Einzeldienste, Personalmangel und die Erwartung jederzeit einsatzbereit zu sein sind nur die sichtbaren Auswirkungen. Hinzu kommen als quasi berufsbedingte Begleiterscheinung häufig Erschöpfungszustände bis zum Burn-Out, Stresszustände und bedingt durch den Schichtdienst oftmals auch Vereinzelung und Einsamkeit.
Die Leistung, die in diesen Berufen wird teilweise belächelt, da die oftmals von der Politik vertretenden Meinung diejenige ist, dass die entsprechende Arbeit von fast jedem nach einer kurzen Anlernphase erbracht werden kann. Beispielhaft hierfür wären FSJler/*_Innen, BFDler/*_Innen, Praktikant/*_Innen und in der Folge auch von ungelernten Assistenzkräften.
Entsprechend niedrig ist dementsprechend auch die Entlohnung, wie dies so häufig in sog. „typischen Frauenberufen“ der Fall ist. Berufliche und private Care-Arbeit verbinden sich hier oftmals zu einer doppelten Belastung, Anerkennung und Bezahlung im Grunde gleich null. Produziert wird in diesem Sektor unter kapitalistisch verwertbarem Aspekt ja auch unmittelbar nichts.
Hinzu kommt eine ausgesprochen niedrige Tarifbindung in diesen Berufsgruppen. Geprägt von einem überwiegend eher karitativen Berufsethos, mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung und aber auch der eingeschränkten Möglichkeiten für bessere Bezahlung kämpfen oder gar streiken zu können (im Falle eines Streikes muss die Versorgung des Klientel weiterhin aufrechterhalten werden)oder auch das Solidaritätsempfinden in diesen Berufsgruppen nicht ausreichend ist.

Nun stellt die Corona-Krise die Welt ein Stück weit auf den Kopf.
Plötzlich gelten Pflegekräfte und Supermarktangestellte exemplarisch als systemrelevant und Held/*_Innen der Krise, als diejenigen, die die Gesellschaft unter anderem mit aufrechterhalten. Sie werden überhäuft mit Balkon-Applaus, kitschigen warmen Worten und billiger Schokolade. Die Arbeitsbedingungen aber sind noch immer die gleichen, bzw. haben sich vor dem Hintergrund der aktuellen Situation noch erschwert. Die schlechte Bezahlung und die mangelnde Tarifbindung, die kapitalistische Ausbeutung des Gesundheitssystems sind weiter existent. Selbst Bundesarbeitsminister Heil erkennt plötzlich, wie schlecht die Bezahlung in diesem beruflichen Sektor üblicherweise ist. (https://web.archive.org/…/i…/heil-lohn-pflegeberufe-101.html, zuletzt eingesehen am 05.05.2020).
Dennoch werden die Umstände, die zu dieser Situation führen mit keinem Wort in Frage gestellt. Statt dessen wird am System herum gedoktert und kritische Zustände schön geredet oder durch massive Unterschreitung von Personaluntergrenzen in Krankenhäusern kaschiert, Personalengpässe in Pflegeeinrichtungen durch panikartige befristete Einstellung von ungelernten Assistenzkräften und Aushilfen vertuscht. Auch, wenn COVID-19 dereinst bewältigt sein mag – werden sich im Nachgang sicherlich keine Verbesserungen einstellen, im Gegenteil alles deutet auf die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Gesundheitssystems hin. Dieses wird genauso exklusiv bleiben, wie jetzt auch werden Menschen am Rande der Gesellschaft weiterhin in Teilen oder gänzlich ausgeschlossen bleiben.

Pflege und Gesundheit gehören nicht in die Hände privater kapitalistischer Unternehmen.!
Wir fordern daher: eine Kollektivierung der Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser mit ausreichendem Urlaubsanspruch und einem Grundgehalt, das €20,– die Stunde für das Pflegepersonal erreicht, sowie einen Flächentarif für die Pflegeberufe. Steuerfreie Gefahren- und Schichtzulagen, ein Ende der Unterschreitung von Personal-Untergrenzen und in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, bzw. eine adäquate Personaldecke. Zugang zum Gesundheits- und Pflegesystem für alle!

[ssba]